Kulumsa
Seit Ende März 2020 brachte Covid-19 auch in das „Agricultural Training Center for Mechanization“, kurz ATC, eine Stille in die Schulungsräume und die Werkstätten. Kulumsa bei Asella liegt etwa drei Autostunden südwestlich von der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Es ist ein Pionierort, der sich für die landwirtschaftliche Weiterbildung Äthiopiens in seiner Funktion und Ausstattung einzigartig zeigt. Langsam und unter höchsten Hygieneauflagen werden seit Ende Oktober die Schulungsprogramme wieder aufgenommen, wie Debele Debela berichtet. Er ist für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH für die Planung und Durchführung der Weiterbildungen verantwortlich. Auf rund 20 Hektar gibt es Vorführplätze, Versuchsfelder und Lernräume - zum Ausprobieren, Fehler machen, Lernen und Üben.
„Die zukünftigen TraktorfahrerInnen und LohnunternehmerInnen kommen zu uns, und wir schulen sie theoretisch und praktisch an den Ernte- und Bodenbearbeitungsgeräten, sowie an den Traktoren, wie man sie in Stand hält, sie bestmöglich nutzt und die Ernte unterstützt. Es ist ein Ort für Wissen, Fertigkeiten und Training“, erklärte Debele auf dem Weg zur Maschinenhalle des Training Centers. Hier steht für die Ausbildung alles bereit: Traktoren, Grubber, Dünger-Streuer, Voll-Dreh-Pflüge, eine Beregnungsmaschine oder ein Drei-Seiten-Kipper mit Kornschieber.
Führerschein für neue Chancen
Debele ist stolz auf die Vielfalt an Maschinen und die Lernmöglichkeiten, die sich für die SchulungsteilnehmerInnen ergeben: „Nach der Ausbildung hier im ATC unterstützen die Lohnunternehmer die Kleinbauern in unterschiedlichen Ernte- und Bodenbearbeitungsphasen. Dadurch verdienen sie Geld und verbessern ihre Lebensumstände“. Die Ausbildung am ATC richtet sich an bereits erfahrene LohnunternehmerInnen oder Jugendliche, die mit dem neu gewonnenen Wissen und dem erlangten Zertifikat mit Führerschein am Ende der bis zu dreimonatigen Aus- und Weiterbildungen einen Weg aus der Arbeitslosigkeit finden. Vor Ort, auch mit Partnern wie der Andreas-Hermes-Akademie, werden Inhalte zu Management, Kommunikation, Unternehmens- und Kooperativen-Organisation, sowie Reparaturpraxis,Werkstattorganisation, Bodenbearbeitungsprozesse, Ernteunterstützung und Fahrpraxis auf PS-starken Traktoren vermittelt. Für die meisten Kleinbauern mit durchschnittlich einem bis zwei Hektar Land sind Lohnunternehmer für die Bodenbearbeitung oder Ernte eine wichtige Stütze, da die finanziellen Mittel für die Anschaffung eines eigenen Traktors oder eine ausreichende Nutzungsmöglichkeit im eigenen Betrieb fehlen. Das zeigt Jugendlichen den praktischen Nutzen von Kooperativen, um sich gemeinschaftlich Einkommensquellen mit Landmaschinen aufzubauen.
Attraktiv für junge Generation
Acht von zehn erwerbstätigen Äthiopiern sind unmittelbar in der Landwirtschaft aktiv. Doch unvorteilhafte Bewirtschaftungsmethoden und ein beschränkter Zugang zu moderner Landtechnik produzieren Flächenerträge weit unter dem Potential. Seit 2011 engagiert sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Äthiopien. Das Ziel: die landwirtschaftliche Produktivität und Mechanisierung erhöhen und zur Ernährungssicherung und landwirtschaftlichen Entwicklung beizutragen. Das Deutsch-Äthiopische landwirtschaftliche Weiterbildungszentrum ATC ist Teil des Programms „Beitrag zur Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Produktivität in Äthiopien (SSAP)”.
„Landwirtschaft gibt hier so viele Möglichkeiten und ist Leben“, betont Debele. Doch als Einkommensquelle müsse der Sektor vor allem für die junge Generation attraktiver werden, um mit Leidenschaft in der Landwirtschaft zu arbeiten. Mechanisierung und landwirtschaftliche Produktivität müssen erhöht werden. Aus vielen Gesprächen mit Absolventen der Trainings ist Debele überzeugt: „Mit besserem Einkommen in der Landwirtschaft wird sich auch die Jugend mehr und mehr der Landwirtschaft zuwenden.“
„Ein Traktor bedeutet Leben für mich“
Salomon Girma hat seine Lizenz als offizieller Traktor- Dienstleister vom ATC erhalten. „Dieses Training hat mir geholfen, unabhängig zu werden und mein Wissen um Landmaschinen und Traktoren zu vertiefen“, erzählt der Ende 20-Jährige. Vor der ATC-Ausbildung lebte er bei seinen Eltern, war finanziell von ihnen abhängig. Seit seiner Selbstständigkeit als Lohnunternehmer für Kleinbauern in der Umgebung lebt er alleine, sorgt finanziell für sich und unterstützt weitere Familienmitglieder. Den 75-PS-Traktor teilt er sich in Schichtarbeit mit einem Kollegen. Was der Traktor für ihn bedeute? „Ich helfe den Bauern einen Schritt weiterzukommen – weg vom traditionellen Ochsenpflug, hin zum PS-starken und effizienteren Traktor. Meine Arbeit ist etwas Gutes für die Gemeinschaft. Sie bringt einen Wandel, den ich selbst sehe. Das macht mich glücklich. Ein Traktor bedeutet Leben für mich“, so Girma.
ATC jetzt in neuen Händen
Anfang Dezember 2020 wurde das ATC an das Ethiopian Institute for Agricultural Research (EIAR), einer Organisation des äthiopischen Landwirtschaftsministeriums, übergeben. Mit dabei war auch der deutsche Botschafter in Äthiopien, Stephan Auer. Er betonte, dass die junge Generation für den landwirtschaftlichen Sektor begeistert werden muss und attraktive Trainingsmöglichkeiten dabei unterstützen können. „Es ist bewegend zu sehen, dass es nicht nur rein theoretisch eine tolle Sache ist, sondern es auch wirklich sehr praktisch zu Erfolg führt“, führte Auer aus. Das Agricultural Training Center sei für ihn mitunter ein Projekt mit nationaler Strahlkraft.